VW-Vertriebs- und Marketingvorstand Sander: „Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch“
VerkehrPolitik & WirtschaftVW 2025: Mehr Elektroautos, weniger Varianten – neue Strategie VW-Vertriebs- und Marketingvorstand Sander : „Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch“Volkswagen will 2025 deutlich mehr Elektroautos verkaufen – und setzt dabei auf eine optimierte Modellpalette, gezielte Kundenansprache und ein starkes Händlernetz. Wie VW seine ID.-Modelle attraktiver machen will und warum das Unternehmen sich auf bewährte Stärken besinnt, verrät der VW-Vertriebs- und -Marketingvorstand Martin Sander im Interview mit auto motor und sport.Jörn Thomas,Marcel Sommer29.01.2025exklusiv für AbonnentenFoto: Volkswagen AG13 Bilder Sie sind jetzt ein gutes halbes Jahr bei Volkswagen. Was war Ihr erster Eindruck?Zunächst einmal hat mich das Produktportfolio überzeugt – sowohl das bestehende als auch die Modelle, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. Design, Interieur, Qualität: Die Autos bringen genau das mit, was man von einem Volkswagen erwartet. Dementsprechend können wir zu Recht sehr stolz auf unsere Marke und unsere Produkte sein. Wir müssen in den Mittelpunkt stellen, wie gut unsere Fahrzeuge heute schon sind. Auch unsere Händler dürfen da selbstbewusster sein. Welche Aufgaben folgen daraus?Unser Ziel ist es, 2025 spürbar mehr Elektrofahrzeuge zu verkaufen als im letzten Jahr. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Zukunft der Mobilität elektrisch ist. Wir sind heute Marktführer in Europa. Und mit unserem starken Fokus auf eine erfolgreiche Absatzsteigerung unserer Elektrofahrzeuge wollen wir das auch in Zukunft bleiben. Gemeinsam mit den Bereichen Finanz- und Produktmanagement, aber auch mit Händlern und Partnern wie der Elli oder Volkswagen Financial Services haben wir das sogenannte ID. Lead Programm gestartet. Im Kern geht es darum, herauszuarbeiten, was unsere Autos im Vergleich zu den Wettbewerbern können. Viele Kunden wissen beispielsweise gar nicht, dass der ID.3 GTX mehr Reichweite bietet als der Tesla Model Y Long Range oder dass der ID.3 schneller von 10 auf 80 Prozent lädt als ein BMW i4. Wichtig ist: Kunden müssen wissen, was unsere Produkte ausmacht und was diese – auch im Vergleich zum Wettbewerb – können. Wir sehen im Moment eine positive Entwicklung des Auftragseingangs. So waren wir etwa im Monat Oktober in Norwegen bei der E-Mobilität Nummer eins, auch in Dänemark und in Deutschland. Das zeigt, dass die ID.-Modelle und Volkswagen als Marke im Bereich Elektromobilität – nicht zuletzt aufgrund der erfolgreichen Markteinführung des ID.7 – überzeugen. Sind die Baustellen bei den Modellen denn schon komplett abgeräumt?Da ist viel passiert, sei es beim Design, bei der Bedienung oder bei den Materialien. Ob Schieberegler oder Lenkradtasten – wir haben das Feedback unserer Kunden ernst genommen und uns wieder mehr auf unsere VW-Tugenden besonnen. Man muss nicht immer alles neu machen, sondern das gut machen, was Kunden wertschätzen und wollen. Dazu zählen eine entsprechende Materialqualität und eine einfache Bedienung. Auch wenn aktuelle Modelle mehr Funktionen haben, sollen diese einfach zu bedienen sein.Unser Dauertest-Golf hat diese Ansprüche nicht erfüllt, einen Schatten auf das Markenversprechen geworfen.Das damalige Testergebnis hat uns sehr geärgert – und angespornt, noch besser zu werden. Anfang 2024 ist das Facelift vom Golf VIII auf den Markt gekommen, seitdem schneidet der Golf in den Vergleichstests wieder sehr gut ab. Grundsätzlich gilt: Unser Produktmarketing ist von Anfang an intensiv in den Produktentstehungsprozess eingebunden und sorgt mit dafür, dass sich ein Volkswagen wieder anfühlt wie ein Volkswagen. Als Thomas Schäfer 2022 als CEO der Marke gestartet ist, hat er gemeinsam mit dem Team und den Regionen einmal verbindlich definiert, was ein Volkswagen erfüllen muss. Wir wollen ein stabiles, klares Design, das den Kunden anspricht. Das Gleiche gilt für das Material und vor allem für die Zuverlässigkeit. Wir wissen, in welchen Bereichen wir liefern müssen, und das wird konsequent umgesetzt.Momentan liefert VW alles: vom Verbrenner über Hybrid bis Elektro. Wie bekommen Sie den Kunden auf die richtige Schiene?Wir stellen immer wieder fest, dass viele Menschen bisher noch keine Berührungspunkte mit Elektroautos hatten. Deswegen haben wir Mitte Januar die neue ID.-Probefahrtenaktion gestartet: Mit der Aktion möchten wir möglichst viele Autofahrerinnen und Autofahrer von unseren vollelektrischen Modellen überzeugen. Denn wer einmal hinter dem Steuer eines Elektroautos gesessen hat, möchte oftmals nicht mehr tauschen. Aber natürlich spielt der Preis auch eine wichtige Rolle. Wir haben in den vergangenen Monaten intensiv an den Kosten gearbeitet, so dass wir beispielsweise den ID.3 als Einstiegsmodell derzeit zu einem Preis von unter 30.000 Euro in Deutschland anbieten können. Was kann Volkswagen selbst dazu beitragen, dass sich mehr Menschen für ein Elektroauto entscheiden?Elektromobilität ist weiterhin eine neue, für viele Menschen immer noch unbekannte Technologie. Unsere Aufgabe ist es, Kunden aufzuklären und Vorbehalte abzubauen. Dazu setzen wir Maßnahmen in den Bereichen Kommunikation und Werbung sowie vor Ort bei den Händlern ein. So haben wir unter anderem ein großes Schulungsprogramm für unsere Händler in ganz Europa gestartet. Da geht es um das Auto als solches, aber auch um das Thema Laden. In diesen Themen, die weit über das bisherige Geschäft hinausgehen, müssen sich unsere Verkäufer bestmöglich auskennen. Volkswagen bietet seinen Kunden das gesamte Ökosystem aus einer Hand, so beispielsweise auch Wallboxen von Elli mit dynamischen Ladetarifen. Wo stehen Sie beim Agenturmodell?Das Thema Agentur hat zwei Facetten. Die eine betrifft die Großkunden, etwa Unternehmen oder Behörden. Da haben wir seit 20 Jahren das Agenturmodell, das funktioniert hervorragend. Deshalb rollen wir das Agenturmodell für das Flottengeschäft überall in Europa aus. Im Einzelkundengeschäft sind wir vor vier Jahren in einigen Pilotmärkten, so auch in Deutschland, mit dem Agenturmodell gestartet und haben zusammen mit den Händlern wertvolle Erfahrungen gesammelt. Mit dem Ziel, weiterhin gemeinsam zukunftsfähig zu sein, passen wir unser Vertriebsmodell nun an die dynamischen Veränderungen im Neuwagengeschäft an und stellen uns derzeit neu auf.Welchen Beitrag leisten Vertrieb und Marketing, um Kosten zu sparen und hohe Qualität zu sichern?Ein Beispiel ist die Reduzierung von Varianten. Den nächsten Schritt machen wir hier mit dem kommenden T-Roc, der im Vergleich zum Vorgängermodell eine deutlich vereinfachte Angebotsstruktur bekommt. Damit nehmen wir Komplexität aus dem System und sparen entsprechend Kosten. Gleichzeitig bieten wir den Kunden aber genau das, was sie sich von einem T-Roc wünschen. Allerdings sind der Variantenreduzierung auch Grenzen gesetzt, denn als Volumenanbieter, als Marktführer in Europa, brauchen wir ein breites Angebot. Es gibt Kunden, die wollen ein Auto mit Basisfeatures, und genauso gibt es Kunden, die Wert auf eine umfangreiche Ausstattung legen. Deshalb wird Volkswagen nie komplett vorkonfigurierte Autos anbieten, bei denen man nur noch die Farbe und eine Felge wählen kann. Wir wollen dem Kunden weiter die Gelegenheit geben, sich sein individuelles Auto zusammenzustellen, aber nicht so komplex wie in den vergangenen Jahren. Wie sieht das Marketing der Zukunft aus? Gibt es Möglichkeiten, neue Käuferschichten zu erreichen?Für Volkswagen ist klar: Unser dichtes Händlernetz ist einer unserer größten Wettbewerbsvorteile, und unsere Händler sind der wichtigste Kontaktpunkt zu unseren Kunden. Wir brauchen Menschen vor Ort, die sich um die Kunden kümmern. Ich sehe keinen Automobilvertrieb ohne Händler. Das Marketing hingegen ändert sich gravierend, vor allem durch Künstliche Intelligenz und die enorme Menge an Daten, die heute vorliegen. Für uns bei Volkswagen stehen immer die Menschen im Mittelpunkt. Weltweit gibt es Millionen, die einen Volkswagen fahren und so jeden Tag für uns Werbung machen, teils sogar als Mitglied in eigenen Communitys. Genau diese Fans der Marke wollen wir zukünftig im Vorfeld von Marketingentscheidungen noch stärker einbeziehen.Ist denn das Thema Love Brand stecken geblieben?Eine Love Brand muss man leben, die muss man sein, indem man eine intensive Verbindung zu den Kunden aufbaut und pflegt. Das ist subtil und dauert seine Zeit. Die Superbowl-Kampagne in den USA ist eine typische Love-Brand-Kampagne. Sie beschreibt, wie Volkswagen in die USA gekommen ist und ein wichtiger Bestandteil der amerikanischen Gesellschaft und somit auch vieler Familien geworden ist. Darum erzeugt der ID. Buzz in den USA so große Aufmerksamkeit. In wenigen Wochen kommt der Tayron auf den Markt, und auch bei dessen Werbekampagne geht es darum, welche Rolle Volkswagen im alltäglichen Leben der Kunden spielt. Auf diese Weise spielen wir das Thema Love Brand, sodass Kunden spüren: Volkswagen hat mich verstanden, Volkswagen erleichtert mir meinen Alltag. Und wie kann Volkswagen in China wieder erfolgreich werden?Wir haben einen klaren Plan. Im Moment gibt es zwei Chinas. Zum einen das der Verbrennungsmotoren: Da ist die Marke Volkswagen mit einem Segmentanteil von über 16 Prozent mit deutlichem Abstand Marktführer. Zum anderen das der New Energy Vehicles, der NEV. Hier bauen wir unser Angebot schnell und gezielt aus. Die Plug-in-Hybride der neuesten Generation kommen 2026 auf den Markt, erstmals auch ein Fahrzeug mit Range-Extender-Technologie. Zu unserem vollelektrischen Portfolio in China gehören derzeit der ID.3, der ID.4, der ID.6 und auch der ID. UNYX. Zusätzlich werden wir jetzt schnell weitere Modelle anbieten, die wir in China für China entwickeln, voll abgestimmt auf die Wünsche der lokalen Kunden. So nutzen wir auch die Innovationskraft des chinesischen Marktes – unter anderem durch Partnerschaften mit lokalen Tech-Unternehmen. Die nächste Generation smarter Elektroautos wird auch ADAS-Systeme bis zu Level 2++ und Infotainment mit KI an Bord haben. Bis 2030 bringen wir rund 30 China-spezifische NEV-Modelle auf den Markt.Das Interview führte auto motor und sport-Chefreporter Jörn Thomas. In der Bildergalerie sehen Sie den 2024 modellgepflegten VW ID.3 Pro S.VitaVolkswagen AGMartin Sander ist seit dem 1. Juli 2024 Vorstand für Vertrieb, Marketing und After Sales bei Volkswagen Pkw. Martin Sander, geboren 1967 in Hildesheim, hatte der Maschinenbau-Ingenieur bei der Audi AG verschiedene Führungspositionen in Nordamerika und Europa inne, unter anderem als Senior Vice President of Sales für Europa, Deutschland, Amerika und UK. Danach war Sander Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke sowie General Manager Ford Model e für Europa. Seit 1. Juli 2024 ist er Vorstand für Vertrieb, Marketing und After Sales bei Volkswagen Pkw