Markus Mildner, CEO eMobility Siemens im Interview: „Pausenzeiten eignen sich gut, um E-LKW zu laden.“

interview pausenzeiten

Tech & ZukunftMobilitätsservicesMarkus Mildner: E-LKW fahren bald günstiger als DieselMarkus Mildner, CEO eMobility Siemens im Interview : „Pausenzeiten eignen sich gut, um E-LKW zu laden.“Siemens gehört zu den größten Technologie-Konzernen der Welt und ist in nahezu allen Bereichen der Mobilität aktiv. Markus Mildner, CEO eMobility von Siemens über die Chancen batteriebetriebener LKW, kabelloses Laden und die Herausforderungen für das Stromnetz.Dirk Gulde13.10.2024exklusiv für AbonnentenFoto: Siemens38 Bilder38 Bilder Firmengründer Werner von Siemens war im 19 Jahrhundert Erfinder und Elektrotechniker und gilt u. a. als Entdecker des elektrodynamischen Prinzips, das beispielsweise beim Rekuperieren genutzt wird. Gibt es bei Siemens heute noch Sparten, die direkt auf Werner von Siemens Aktivitäten zurückzuführen sind?Die Spuren von Werner von Siemens´ Pioniergeist finden sich an vielen Stellen im Unternehmen. In unserer Zug-Sparte Mobility zum Beispiel. 1879 stellte Werner von Siemens die erste elektrische Bahn mit Stromzuführung über die Schienen vor. Heute bauen wir modernste Hochgeschwindigkeitszüge und digitalisieren komplette Streckennetze. Oder denken Sie an die ersten elektrischen Feuermelder im 19. Jahrhundert. Brandschutz ist auch heute ein Teil unseres Portfolios bei Smart Infrastructure. Auch in der Elektromobilität sind wir schon immer engagiert. So wurde die elektrische Viktoria, ein viersitziger Tourenwagen, ab 1905 in Berlin von den Siemens-Schuckertwerken gebaut. Autos bauen wir zwar keine mehr, dafür engagieren wir uns bei der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.Unsere HighlightsSUV Neuzulassungen September 2024 VW kehrt zu alter Form zurückDacia Bigster (2025)Dacias Riesen-SUV für unter 25.000 EuroDiebstahl-Statistik nach Modellen und AntriebNicht mal Diebe wollen E-AutosRudi Kleins Schrottplatz bei RM Sotheby’s AuktionMysteriöse Schrottplatz-Sammlung wird versteigertLexus LBX im TestWas kann der edle Kompakt-SUV als Hybrid?Mitsubishi Starion (1990)XXL-Turbo-Vierzylinder im Wide-Body-KleidOpel Astra ST 1.5 D & Seat Leon ST 2.0 TDI im TestWelcher Diesel-Kombi ist der bessere Autobahn-Kumpel? Als einer der größten und bekanntesten Konzerne Deutschlands, richtet sich Siemens in vielen Bereichen eher an Firmen- statt Privatkunden. Können Sie dennoch Beispiele nennen, wo auto motor und sport-Leser von Siemens-Technik profitieren, ohne es vielleicht zu wissen?Da gibt es fast keinen Bereich, wo das nicht der Fall ist. Fangen wir beim Auto selbst an. Fast alle Autohersteller verwenden Siemens-Software, um ihre Fahrzeuge zu designen. In den Autofabriken kommen sehr viele Automatisierungslösungen von Siemens zum Einsatz. Und einmal auf der Straße werden viele Fahrzeuge an Siemens-Ladesäulen geladen. Ladesäulen von Wettbewerbern werden oft aus Siemens Trafos gespeist. Verkehrsmittel wie der ICE sind vielen bekannt, aber wir bauen auch S-Bahnen und batterie- sowie wasserstoffbetriebene Züge. Außerdem kommt vieles in der Bahninfrastruktur – wie zum Beispiel Schranken, Signale oder Weichenantriebe – von uns. Die Software, um die jeweiligen Tickets zu buchen, kommt auch von uns. Mit unserer Technik helfen wir, in Gebäuden Energie zu sparen oder die Stromversorgung für wichtige Einrichtungen wie Krankenhäuser sicherzustellen. Mit Software und Hardware. Wir bringen also die reale und die digitale Welt zusammen. Elektroautos verkaufen sich derzeit schlechter als erhofft. Worin sehen Sie die Hauptgründe für den schleppenden Absatz von E-Autos?Das kann viele Gründe haben. Ich denke, dass wegfallende Förderungen gerade für Privatfahrer eine Rolle spielen. Weltweit allerdings steigt die Adaptionsrate von Elektroautos weiter an. Unabhängig davon bleiben die weltweiten Klimaziele bestehen und Elektromobilität ist für die Erreichung dieser Ziele ein wichtiger Hebel. In der Logistik- und Bus-Welt sehen wir die Adaption – zusammen mit dem Bedarf an der Elektrifizierung der Depots – nach oben schnellen. Sollte der Staat den Kauf von E-Autos fördern oder mit dem Geld lieber die Ladeinfrastruktur ausbauen?Ich sehe das nicht als entweder oder. Beides bedingt sich ja. Wirklich spannend sehe ich den Bereich Schwerlastverkehr und kommunale Flotten. Hier haben wir die Möglichkeit, schnell viel zu erreichen, was die Dekarbonisierung angeht. Aber dafür braucht es tatsächlich Unterstützung vom Staat. Zum Beispiel schnellere Genehmigungsverfahren beim Netzausbau. Kriege, Inflation, Pandemie: Haben Sie das Gefühl, dass die Themen CO₂-Reduktion und Klimawandel etwas in den Hintergrund rücken und nicht mehr als so wichtig empfunden werden wie noch vor wenigen Jahren?Das empfinde ich nicht. Es mag sein, dass das Thema in der öffentlichen Debatte etwas nachgelassen hat, weil andere, aktuelle Themen die Aufmerksamkeit einnehmen. Die globalen Klimaziele bleiben jedoch bestehen, und die Elektromobilität ist ein entscheidender Hebel, um diese ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Unser Portfolio unterstützt wichtige Marktsegmente, insbesondere Depot-, Flotten- und Unterwegs-Ladelösungen. Empfohlener redaktioneller InhaltAn dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.Externer InhaltExterner InhaltIch bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.Die EU möchte bis 2050 klimaneutral sein. Welche Sektoren bereiten Ihnen für diese gigantische Energiewende dabei die größten Kopfzerbrechen?Schauen wir auf den Sektor, der nach wie vor am meisten Treibhausgase ausstößt, so ist das der Energie-Sektor. Gleichzeitig ist hier in den vergangenen 30 Jahren schon sehr viel passiert. Der Verkehrssektor, als zweitgrößter Emittent, war der „Geisterfahrer“ und hat seine Hausaufgaben noch nicht gemacht. Ich zerbreche mir aber nicht den Kopf, sondern sorge mit meinem Team dafür, dass wir hier attraktive und leistungsstarke Angebote haben, um unseren Beitrag dazu leisten zu können. Ist die Abkehr von fossilen Energieträgern und die damit verbundene Elektrifizierung der Welt nicht ein riesiger Glücksfall für ein Elektro-Konzern wie Siemens?Es ist aus meiner Sicht für jedes Unternehmen, egal was es macht, von zentraler Bedeutung, das fossile Zeitalter hinter sich zu lassen und nachhaltig zu wirtschaften. Für uns als Unternehmen, das es bereits seit mehr als 175 Jahren gibt, war es schon immer das Ziel, Technologie zu entwickeln, die dem Menschen dient. Letztendlich hat aber der Erfolg von Siemens deutlich mehr mit Physik als mit Glück zu tun: Mit Elektrizität kann man heizen und kühlen, Daten verarbeiten und speichern, sich fortbewegen und Dinge transportieren, und vieles mehr. Es ist die flexibelste Form, Energie zu nutzen. Und in einem „Internet der Elektrizität“ können wir alle Sektoren miteinander verbinden sowie die Erzeugung und den Verbrauch mit Speichern ausgleichen. Siemens entwickelt Systeme zum Wireless Charging, dem kontaktlosen Laden von E-Fahrzeugen. Jetzt haben wir heute schon rund 15 Prozent Verluste beim klassischen kabelgebundenen Laden. Verschwenden wir „wireless“ nicht noch mehr Strom?Ganz und gar nicht. Mit der richtigen Technologie erreichen wir eine Ladeeffizienz von 90- 92% beim kabellosen Laden, das ist auf einem vergleichbaren Niveau wie kabelgebundenes Laden. Mit unseren Prototypen erreichen wir diese Effizienz. Um wieviel verteuert sich ein Ladepunkt, wenn er wireless-fähig ist?Wir haben noch kein fertiges Produkt, das wir verkaufen können, arbeiten aber gemeinsam mit Partnern daran, es möglichst attraktiv zu gestalten. Das Ziel ist jedoch, die Kosten vergleichbar zu einem kabelgebundenen Ladepunkt zu halten. Der große Treiber für kabelloses Laden ist unbestritten der „Convenience-Faktor“: Einfach das Auto parken und automatisch laden lassen. Kein Handtieren mehr mit Kabeln und Steckern. Das ist einfach unschlagbar bequem. Wo sollten kabellose Ladepunkte am sinnvollsten aufgestellt werden? Heimische Garage?Ja, als allererstes dort. Das „Innovations-Playbook“ ist hier nicht neu: zuerst sehen wir das kabellose Laden im Premium Segment und somit in den heimischen Garagen dieser Kunden. Die weitere Adaption sehen wir dann auf den Parkplätzen von Firmen für deren Flotten und Mitarbeiter. Später dann im öffentlichen Raum und Parkgaragen.Wir hören immer wieder von Skeptikern der Elektromobilität, dass die Strommenge in Deutschland gar nicht ausreicht, um komplett auf elektrische Autos und LKW umzusteigen oder dass die Verteilernetze der Mehrbelastung beim Laden nicht gewachsen sind. Wie ist da ihre Meinung dazu?Durch seine vielen Einsatzmöglichkeiten wird Strom für unsere Gesellschaft immer wichtiger. Daher darf der Ausbau der Erzeugung und der Netze ohnehin nicht stillstehen. Der Umstieg im Verkehrssektor auf Elektromobilität geschieht nicht über Nacht. Die Strommengen für die Einbindung der Ladepunkte lassen sich berechnen. In einigen Fällen muss das Stromnetz ertüchtigt werden. Oft hilft aber auch schon die Digitalisierung. So bieten wir zum Beispiel eine Software an, die die Ladevorgänge dann startet, wenn gerade viel Strom zur Verfügung steht. Das spart auch noch Geld. Viele Experten gingen lange Zeit davon aus, dass für den Schwerlastverkehr batterieelektrisch betriebene LKW weniger gut geeignet sind, da große und zu schwere Batterien die Nutzlast verringern und man sich das Thema Laden in diesem Bereich kaum vorstellen konnte. Was hat sich geändert, dass dies jetzt anders gesehen wird und doch elektrische LKW auf die Straße kommen?Die Antwort ergibt sich schnell aus einer „Total Cost of Ownership“-Rechnung der Logistiker. Die Batterietechnologie wird besser und günstiger und es gibt gut geeignete Fahrzeuge. Viele Touren sind planbar und sind günstiger zurückzulegen als mit Diesel-Fahrzeugen. Wir haben schon viele Depots mit Ladelösungen ausgestattet und sehen hier noch viel weitere Möglichkeiten. Dazu arbeiten wir gerade – so wie viele andere Anbieter auch – am sogenannten Megawatt-Laden (MCS). Zwar gibt es dafür bislang weder Fahrzeuge noch entsprechende Charger auf dem Markt, dennoch konnten wir im April dieses Jahres mit einem Prototypen 1 MW beim Laden erreichen. Geladen wurde übrigens ein Prototypen-LKW eines namhaften OEM. Der Vorteil beim MCS ist, dass auch Schwerlast-LKWs in kurzer Zeit geladen werden können. Im besten Fall während der gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten. Das reduziert Stillstandzeiten und erhöht die Wirtschaftlichkeit.Empfohlener redaktioneller InhaltAn dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.Externer InhaltExterner InhaltIch bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.Siemens konzentriert sich unter anderem auf das Laden von LKW für den Fernverkehr. Jetzt haben wir heute schon das Problem, dass Rastanlagen komplett überfüllt sind. Wenn jetzt Lkw-Fahrer auch noch regelmäßig laden müssen, sprengt das nicht alle Dimensionen unserer Rastplätze?Hier sind zwei Themen wichtig. Wie schon angesprochen muss Schnellladeinfrastruktur zur Verfügung stehen, die Standzeiten für das Laden minimiert. Gleichzeitig muss bei der Planung platzsparende Infrastruktur berücksichtigt werden. So gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, Charger an einem Rigg zu befestigen, die Kabel kommen dann von oben. Eine einfache Integrierung in heutige Rastplätze dürfte bei den bestehenden Verhältnissen im größeren Stil kaum möglich sein. Die Schaffung von Lade-Hubs für E-LKW könnte hier eine Lösung sein. Logistikunternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass eine Ladesäule zum Zeitpunkt X verfügbar ist. Der ideale Einsatzbereich für digitale Reservierungssysteme.VitaMarkus Mildner ist seit Januar 2022 CEO eMobility bei Siemens Smart Infrastructure. Zuvor leitete er die globale Vertriebsorganisation bei Siemens Smart Infrastructure. Von 2016 bis 2019 war Mildner General Manager der Siemens Energy Management Division in China. In der Vergangenheit hatte er mehrere Führungspositionen bei Siemens und BenQ in Deutschland, Kolumbien und Mexiko inne. Bevor Markus Mildner im Jahr 2000 zu Siemens kam, begann er seine berufliche Laufbahn als Unternehmensberater bei der Deutschen Bank. Er hat einen Abschluss in Wirtschaftsingenieurwesen von der Technischen Universität Berlin.Oben in der Galerie finden Sie Bilder zum neuen Elektro-LKW E-Actros von Mercedes-Benz Trucks.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert