Neue Todsünden im Verkehr: Handy am Steuer bald eine Straftat?

VerkehrPolitik & WirtschaftHandy am Steuer bald eine Straftat?Neue Todsünden im Verkehr : Handy am Steuer bald eine Straftat?Vom 29. bis 31. Januar 2025 findet in Goslar der 63. Deutsche Verkehrsgerichtstag statt. Im Arbeitskreis IV wird diskutieren, ob die sogenannten „sieben Todsünden“ des § 315c Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) nach 60 Jahren noch den Anforderungen des modernen Straßenverkehrs entsprechen.Holger Wittich28.01.2025Foto: Alvaro Medina Jurado via Getty Images14 Bilder Dabei steht die Frage im Raum, ob häufige und gefährliche Verhaltensweisen wie Handy-Nutzung am Steuer, Drängeln oder zu geringer Sicherheitsabstand in den Katalog aufgenommen werden sollten. Diese Verhaltensweisen zählen heute zu den häufigsten Unfallursachen, sind aber bislang nicht ausdrücklich im Strafrecht erfasst.Die sieben Todsünden im ÜberblickIm § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB werden folgende Verhaltensweisen als besonders gefährlich eingestuft und strafrechtlich verfolgt, wenn dadurch Leib oder Leben eines Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden: Missachtung der VorfahrtFalsches Überholen oder Fehlverhalten bei ÜberholvorgängenFalsches Verhalten an FußgängerüberwegenÜberhöhte Geschwindigkeit an unübersichtlichen Stellen, Kreuzungen oder BahnübergängenMissachtung der rechten Fahrbahnseite an unübersichtlichen StellenWenden, Rückwärtsfahren oder Fahren entgegen der Fahrtrichtung auf Autobahnen oder KraftfahrstraßenFehlende Kennzeichnung haltender oder liegengebliebener FahrzeugeDiese Vorschriften dienen dazu, besonders gefährliches Verhalten im Straßenverkehr zu sanktionieren, wenn es mit grober Rücksichtslosigkeit einhergeht. Diskussion um Aktualität und mögliche ErweiterungDie Kritik an der aktuellen Regelung zielt darauf ab, dass einige der in § 315c genannten Verhaltensweisen heute in der Praxis seltener vorkommen, während andere, moderne Gefahrenquellen nicht erfasst sind. Besonders im Fokus stehen:Handy-Nutzung am Steuer, die eine der häufigsten Unfallursachen darstellt.Drängeln und unzureichender Sicherheitsabstand, die häufig zu Auffahrunfällen führen.Überhöhte Geschwindigkeit in sensiblen Bereichen wie Schulzonen oder verkehrsberuhigten Straßen.Verlorene Ladung, die regelmäßig zu schweren Verkehrsunfällen führt.Einige Fachleute schlagen vor, den bestehenden Katalog zu ergänzen, um diese Verhaltensweisen ebenfalls unter Strafe zu stellen. Die Unfallforschung zeigt, dass moderne Gefahren wie Ablenkung durch elektronische Geräte oder zu dichtes Auffahren häufig unfallursächlich sind, während beispielsweise Verstöße bei der Kennzeichnung liegengebliebener Fahrzeuge in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Herausforderungen und PerspektivenDie Diskussion um eine Erweiterung der „sieben Todsünden“ ist jedoch nicht unumstritten. Dr. Philipp Schulz-Merkel, Fachanwalt für Verkehrsrecht, weist auf die Schwierigkeiten hin, verfassungsfeste und ausreichend bestimmte Tatbestände zu formulieren. Er betont zudem, dass die Nachweisbarkeit solcher Verstöße oft schwierig ist, insbesondere bei Ablenkung durch Mobiltelefone oder leichten Abstandsverstößen. Schulz-Merkel argumentiert, dass viele dieser Verstöße aus Unachtsamkeit und nicht aus grober Rücksichtslosigkeit begangen werden, weshalb sie nicht zwangsläufig den Anforderungen des § 315c entsprechen. Stattdessen plädiert er für präventive Maßnahmen wie höhere Bußgelder, technische Fahrassistenzsysteme und verstärkte Aufklärungsarbeit.Ein weiteres Problem ist die Überschneidung bestehender Tatbestände. So könnte das falsche Überholen in bestimmten Situationen bereits Verhaltensweisen wie Drängeln oder dichtes Auffahren umfassen. Kritiker schlagen vor, solche Dubletten zu vermeiden und den Katalog klarer zu strukturieren. Unfallforschung: Aktualisierung notwendigLaut einer Analyse der Unfallforschung der Versicherer (UDV) spielen unangepasste Geschwindigkeit und mangelnder Sicherheitsabstand eine größere Rolle bei Unfällen mit schweren Folgen als einige der derzeitigen „Todsünden“. Von 3,2 Millionen analysierten Unfällen mit 474.000 Personenschäden waren viele auf moderne Fehlverhaltensweisen zurückzuführen, die im aktuellen Katalog nicht berücksichtigt werden. Die Unfallforschung empfiehlt daher, den Fokus stärker auf die Gefährdung von Leib und Leben zu legen und veraltete Tatbestände zu überarbeiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert